Blitzentladung

Die Blitzentladung hat ihren Ursprung in der elektrisch geladenen Gewitterwolke, wobei der genaue Mechanismus der Ladungstrennung innerhalb der Gewitterwolke bis heute nicht vollständig geklärt ist.

Schematische Ladungsverteilung in einer Gewitterwolke

Im wesentlichen wird zwischen der mikroskopischen Ladungstrennung an den Niederschlagspartikeln und der makroskopischen Ladungstrennung innerhalb der Gewitterwolke unterschieden. Es wird davon ausgegangen, dass in der Wolke zwei bestimmende Ladungszentren vorliegen, wobei in den oberen Regionen der Wolke positive Ladungen auf Eiskristallen und in den unteren Regionen negative Ladungen auf Wassertröpfchen zu finden sind. Die Gewitterwolke hat daher eine Ladungsverteilung die in erster Näherung einem Dipol entspricht. An der Wolkenuntergrenze finden sich meist noch geringe Mengen positiver Ladung.

Eine übliche Einteilung der Blitzentladungen erfolgt nach der Polarität der vom Blitz aus der Wolke abgeführten Ladung und nach der Vorwachsrichtung des Leitblitzes, der im Folgenden noch näher beschrieben wird. Diese Form der Einteilung wurde von einem der Pioniere der moderneren Blitzforschung, Prof. Berger, vorgeschlagen. Die am ausführlichsten untersuchte Entladungsform stellt der negative Wolke-Erde-Blitz (negativer Abwärtsblitz) dar, da mehr als 90 % aller Blitze diesem Typus entsprechen und diese Form der Entladung daher auch für Fragen des Blitzschutzes grundlegende Bedeutung hat.

Jeder Blitz besteht einerseits aus einem Leitblitz (Leader), der von der Wolke zur Erde vorwächst und einer Hauptentladung (Return Stroke), die ausgehend vom Einschlagspunkt am Boden in Richtung Wolke erfolgt. 

Der erste Leitblitz wächst mit mehr oder weniger starker Verästelung in Ruckstufen von der Wolke in Richtung Erde (abwärts), wobei die einzelnen Stufen Längen von 10 m bis 200 m aufweisen und eine mittlere Vorwachsgeschwindigkeit von 0,1 m/µs bis 3 m/µs beobachtet wird. Die Pausenzeiten zwischen den Ruckstufen liegen im Bereich von 37 µs bis 124 µs. Der Leitblitz bei Folgeblitzen wächst eher kontinuierlich in Richtung Erde in dem bereits vorbereiteten Blitzkanal und wird daher als "Dart Leader " bezeichnet. Der wesentliche Unterschied ist, dass der Leader beim Erstblitz eine elektrische Entladung in normaler Luft darstellt, wohingegen der Dart Leader einen bereits vom Erstblitz ionisierten Kanal vorfindet. Manchmal wird auch der Wechsel von einem Dart- zu einem Stepped-Leader beobachtet und in diesem Fall als Dart-Stepped-Leader bezeichnet.

die 3 Stufen der Blitzentladung (Leader, Fangentladung und Return Stroke)

Nach dem Zusammentreffen von Leitblitzkopf und Fangentladung beginnt die Hauptentladung (engl. Return Stroke), jener Prozess, der schlechthin als Blitz bezeichnet wird. Sie nimmt ihren Ausgang am Einschlagpunkt und pflanzt sich mit einer mittleren Geschwindigkeit von 130 m/µs in Richtung Wolke fort. Am Einschlagspunkt tritt der bekannte impulsförmige Strom mit einer Amplitude von einigen 1.000 A bis zu einigen 100.000 A auf. Die mittlere Anstiegszeit des Stromes vom 2-kA-Wert bis zum Maximalwert liegt bei 5,5 µs. Während der Hauptentladung wird in erster Linie die im Leitblitzschlauch gespeicherte negative Ladung zur Erde abgeführt. In der nebenstehenden Abbildung sind die drei wesentlichen Phasen der Blitzentladung schematisch dargestellt.

Der Energieumsatz im hell aufleuchtenden Blitzkanal führt zu einer Aufheizung auf eine Temperatur von ca. 30.000 °K und damit zu hohem Überdruck, der sich in Form einer Stoßwelle, dem Donnerknall, ausgleicht.

Folgeblitze (Subsequent Strokes)

Wird durch den Erstblitz der Großteil der verfügbaren Ladung abgeführt, so kann nach Beendigung des Stromflusses am Einschlagpunkt das Ereignis Blitz beendet sein. In vielen Fällen folgt jedoch nach einer mittleren Pausenzeit von 35 ms ein weiterer Leitblitz (engl. Dart Leader) dem Kanal der vorangegangenen Entladung. Im Gegensatz zum ruckartigen Vorwachsen des ersten Leitblitzes (Stepped Leader) zeigt der Dart Leader ein gleichmäßiges Vorwachsen mit einer mittleren Geschwindigkeit von ca. 3 m/µs. Durch den Dart Leader wird der Blitzkanal neuerlich mit Ladung gefüllt und nachdem der neue Leitblitz den Boden erreicht hat durch einen so genannten Folgeblitz (engl. Subsequent Stroke) entladen. Dieser Ablauf kann sich mehrmals wiederholen, wobei in Einzelfällen bis zu 20 aufeinanderfolgende Entladungen in einem Blitzkanal registriert wurden. Eine größere Anzahl von Folgeentladungen kann zu einem Flackern des Blitzkanals führen, das auch mit freiem Auge wahrnehmbar ist. Umfangreiche Analysen von in Florida (USA) gewonnenen Messdaten haben eine mittlere Anzahl von 4,6 Entladungen pro Blitz ergeben, wobei von 76 ausgewerteten Blitzen 63 Blitze (83 %) mehr als eine Entladung zeigten und nur 13 Blitze (17 %) so genannte Einzelblitze darstellten. In Österreich wurden mit Hilfe des ALDIS Blitzortungssystems bei ca. 50 % der Blitze mehrere Entladungen festgestellt. Damit zeigt sich, dass Mehrfachentladungen nicht als außergewöhnlich, sondern als durchaus üblich zu betrachten sind.

Bei einem Teil der Entladungen folgt dem impulsförmigen Stoßstrom ein so genannter Langzeitstrom (engl. Continuing Current). Dabei handelt es sich um einen annähernd konstanten Strom von bis zu einigen 100 A, der aber während einer vergleichsweise langen Zeitdauer (bis zu mehreren 100 ms) fließt. Durch diesen Stromfluss können beachtliche Ladungsmengen von mehreren 10 As direkt von der Wolke zur Erde abgeführt werden und damit verbunden tritt ein deutlich höherer Energieumsatz an der Einschlagstelle auf. Dieser hohe Energieumsatz kann zum Entzünden brennbarer Materialien oder zum Durchschmelzen dünner Metallbleche führen. Bei Blitzen mit mehreren Entladungen tritt in 50 % aller Fälle ein Langzeitstrom auf, d. h. jeder zweite Blitz mit mindestens einem Folgeblitz weist auch einen Langzeitstrom auf.

Inwieweit einzelne Blitzparameter wie z. B. die Anzahl der Folgeblitze oder das Auftreten von Langzeitströmen von der geographischen Lage, den meteorologischen Bedingungen oder auch einfach von der Jahreszeit abhängen bzw. unabhängig davon sind, ist bis heute nicht zufriedenstellend geklärt.